In der EU nehmen Innovationen Fahrt auf; neue Anlagen werden gebaut und Arbeitsplätze geschaffen. Während das Recycling der Fasern im Ausland schon seit Jahrzehnten üblich ist, entwickeln sich nun mehrere neue Technologien, die auch den Kunststoff- und Aluminium-Anteil in wertvolle Sekundärrohstoffe verwandeln.
Ein Gastbeitrag von Michael Brandl, EXTR:ACT
Das Recycling der Fasern ist in Europa seit Jahrzehnten etabliert
Wie einfach ein Recycling der Fasern ist, kann man selbst zu Hause testen: man nehme einen leeren Getränkekarton, zerteile diesen in 5-10 Stücke, die dann in einem Eimer Wasser ca. 15-20 Minuten einfach ständig umgerührt werden. Aus dem Wasser wird dann allmählich eine bräunliche Suppe: das ist die hochwertige Papierfaser des Getränkekartons, aus der dann wieder Verpackungsmaterial hergestellt wird. Das wird in weiten Teilen Europas schon seit 25 Jahren so gemacht. Zurück bleiben aber die faserfreien Fetzen der Kunststofffolie mit der dünnen Aluminiumschicht sowie die Verschlüsse (wir nennen das «PolyAl»), die für den Schutz der Lebensmittel vor Verderb oder Kontamination und eine gute Haltbarkeit und Convenience unverzichtbar sind.
Innovationen bei der PolyAl-Verwertung
Seit vielen Jahren basteln sowohl die Ingenieure der Recyclingtechnologien als auch die Hersteller von Getränkekartons selbst an sinnvollen und effizienten Methoden, um auch diese Nicht-Papier-Bestandteile wieder für eine neue Verwendung verfügbar zu machen. Eine echte Pionierarbeit, die faktisch täglich weiter verfeinert und verbessert wird. Mittlerweile konnten somit erste technische Lösungen zur Rückgewinnung der Folie, Verschlüsse und in einigen Fällen auch des Aluminiums entwickelt werden.
Im Grunde basieren die PolyAl-Techniken auf bekannten physikalischen Prinzipien z.B. der früheren Getreidereinigung oder Futtermittelherstellung. Grob gesagt bedeutet das, dass z.B. die leichteren Folienflocken («LDPE- low density Polyethylen») mittels eines Gebläses von den schwereren Verschlüssen und Kappen (HDPE- high density polyethylen oder PP- Polypropylen) abgetrennt werden, also «die Spreu vom Weizen getrennt». Nur mit einem großen Unterschied: beide Materialien sind sehr hochwertig. Sofern man noch die hauchdünne Aluminiumschicht vom LDPE abtrennen möchte, wird die Folie mechanisch behandelt, also quasi wird das Aluminium «abgeklopft». Es gibt bereits neuere Entwicklungen, die mit speziellen Substanzen die rein physikalische Verbindung zwischen dem Aluminium und der LDPE-Folie wieder lösen können, ohne dass in die Molekularstruktur der beiden Materialien eingegriffen wird.
Die gereinigten LDPE-Flocken werden dann in einem sog. Extruder aufgeschmolzen und die entstehende viskose Masse nach Abkühlung wieder zu kleinen linsenförmigen Kügelchen granuliert. Dieses Granulat kann dann wieder erhitzt und in gewünschte Formen (z.B. Kunststoffboxen, Eimer oder Paletten), gepresst werden- was man als Spritzgussverfahren bezeichnet. Sehr reines und aluminiumfreies Granulat lässt sich sogar wieder zu dickeren Abdeckfolien oder Beuteln blasen. Das HDPE/PP wird meist noch etwas nachgereinigt und kann direkt wieder zu neuen Verschlüssen u.ä. im Non-Food- Bereich verarbeitet werden.
Sofern Aluminium als eigenes Produkt wiedergewonnen wird, geht dies zurück in die Aluminiumwerke, wo es wieder in den Kreislauf für größere Bauteile wie z.B. Motorblöcke eingemischt wird oder auch als Glitzereffekt für Metalliclackierungen eingesetzt werden kann.
Allerdings ist eine intensive Nachreinigung für eine neue Verwertung von LDPE nicht zwingend erforderlich, denn beim genannten Spritzgussverfahren sorgt das im LDPE enthaltene Aluminium aufgrund seiner besseren Wärmeleitfähigkeit sogar noch für festere Qualitäten bei reduziertem Energieaufwand. Je nach Anwendung für das sog. Re-Granulat sind auch Recyclingtechnologien im Einsatz, die sogar auf eine Trennung der Folien und der Kappen verzichten, sondern alles gemeinsam zu neuem Recyclingmaterial verarbeiten.
Neue Anlagen in Europa
Seit kurzem werden in Europa -quasi als Pioniere- vier Anlagen mit einer Gesamtjahreskapazität von 50.000 Tonnen PolyAl-Input (also das Material, was am Ende des Prozesses der Faserabtrennung aus der Papierfabrik kommt) hochgefahren. Damit können bereits 25% des anfallenden PolyAl-Materials aus dem europäischen Raum verarbeitet werden. Diese Kapazitäten werden sukzessive ausgebaut, optimiert und zusätzliche Anlagen an geeigneten Standorten errichtet. Durch die zu erwartenden Verbesserungen bei der Sammlung von Getränkekartons werden bis 2030 rd. 220.000 Tonnen PolyAl aus den europäischen Papierfabriken, die gebrauchte Getränkekartons verarbeiten, den Weg in die verschiedenen Recyclinganlagen finden.
Die nachstehende Grafik gibt einen ungefähren Überblick über die Verteilung der Kapazitäten, die selbstverständlich laufend aktualisiert werden und sich sicherlich auch noch ändern werden.
Die Entwicklungen beim sog. PolyAl sind sehr dynamisch und lassen in den nächsten Jahren noch einiges erwarten. Wir stellen zudem fest, dass auf der Nachfrageseite ganz neue Märkte entstehen, die auf relevante Mengen Inputmaterial mit konstanter Qualität warten. Deshalb werden sämtliche Weiterentwicklungen mit allen Gliedern der Wertschöpfungskette abgestimmt. Denn die Qualität des Recyclingmaterials und der erforderliche Aufwand für dessen Rückgewinnung hängt nicht nur von der Zusammensetzung der Verpackung ab, sondern vor allem von einer möglichst korrekten Trennung der Verpackungen bei jedem Verbraucher selbst. Alles, was gar nicht fälschlicherweise in den jeweiligen Wertstoffkreislauf gebracht wird, muss später nicht sehr aufwändig durch Sortier- und Trenntechniken wieder separiert werden. Hier kann jeder von uns einen wertvollen Beitrag durch verantwortungsvolle Wertstofftrennung leisten. Denn: Ohne Sammlung kein Recycling, und ohne saubere Sammlung kein hochwertiges Recycling!