«Nur gemeinsam kommen wir beim Recycling vorwärts.»
- chantaljaun
- 5. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
In unserer Interviewreihe «Nachgefragt – Menschen aus der Welt des Recyclings erzählen» sprechen wir mit Persönlichkeiten, die dem Recycling ein Gesicht geben. Menschen, die etwas bewegt haben – sei es durch ihre berufliche Laufbahn, persönliche Erfahrungen oder ihren Einsatz für Umwelt- und Ressourcenschutz. Wir fragen nach: Was haben sie erlebt? Welche Erkenntnisse haben sie gewonnen? Und wie sehen sie die Zukunft des Getränkekarton-Recyclings in der Schweiz? Wir wollen mehr erfahren über ihre Perspektiven, ihre Aha-Momente – und was wir alle von ihnen lernen können.

Diesmal durften wir ein Gespräch mit Viviane Pfister führen. Als Co-Geschäftsleiterin von Swiss Recycle prägt sie die Arbeit des Schweizer Kompetenzzentrums für Recycling und Kreislaufwirtschaft, bei dem auch der Verein GKR Fraktionspartner ist. In ihrer Rolle setzt sich Pfister tagtäglich mit Fragen auseinander, wie wir Ressourcen verantwortungsvoll nutzen, Wertstoffe wiederverwerten und die Kreislaufwirtschaft in der Schweiz stärken können.
Liebe Viviane, wie bist du zu Swiss Recycle gekommen – oder Swiss Recycle zu dir?
Ursprünglich komme ich aus dem Journalismus und bin dann in der Baubranche in die Unternehmenskommunikation und das Marketing eingestiegen. Dort hatte ich schon mit Recycling und Nachhaltigkeit zu tun und habe schnell gemerkt: Das sind die Themen, die mich wirklich begeistern. In dieser Zeit stiess ich auf ein Inserat von Swiss Recycle – damals noch Swiss Recycling – und wusste sofort: Genau da möchte ich tiefer eintauchen. So begann ich als Projektleiterin Marketing und Kommunikation, übernahm später die Leitung und bin heute Co-Geschäftsleiterin.
Was fasziniert dich an Recycling und Nachhaltigkeit?
Beides sind Themen, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel enorm wichtig sind für unsere Zukunft. Für mich steckt darin eine starke Sinnhaftigkeit. Es geht nicht darum, Verkaufszahlen anzukurbeln, sondern Menschen für etwas Wertvolles und Zukunftsweisendes zu begeistern.
Spannend finde ich auch die verhaltenspsychologische Seite: Jeder hat einen Hebel, so klein er auch scheint. Jeder Getränkekarton zählt beim Recycling, und jede und jeder kann etwas beitragen. Natürlich braucht es auch politische Rahmenbedingungen und die Industrie, die mitzieht. Aber mit guter Kommunikations- und Sensibilisierungsarbeit lassen sich viele Menschen fürs Recycling motivieren. Dieser psychologische Aspekt hat mich von Anfang an gepackt.
Seit März 2025 bist du Co-Geschäftsleiterin. Was waren bisher deine schönsten Momente – und welche waren eher herausfordernd?
Besonders schön sind die Meilensteine, die wir als Team feiern konnten: Highlights wie den Recycling Day, die gemeinsame Strategieentwicklung mit dem Vorstand oder die Reorganisation unserer Sitzungsstruktur. Solche Momente geben Energie.
Herausfordernd ist manchmal, dass wir als Dachorganisation mit sehr vielen unterschiedlichen Stakeholdern arbeiten. Einen gemeinsamen Konsens zu finden, braucht Zeit, viele Gespräche und viel Verständnis. Das kann frustrierend sein - und gleichzeitig spannend, weil man sich in verschiedene Sichtweisen hineindenken und mit unterschiedlichen Zielgruppen kommunizieren muss. Umso grösser ist das Erfolgserlebnis, wenn man gemeinsam Lösungen findet. Meine Überzeugung ist es: Nur zusammen kommen wir beim Recycling vorwärts.
Wie sieht dein Arbeitsalltag als Co-Geschäftsleiterin aus?
Das Schöne ist: Ich weiss morgens oft nicht, was der Tag bringt. Da ich zum Beispiel für die Medienarbeit zuständig bin, kommen immer wieder spontane, spannende Anfragen. Ich arbeite einerseits operativ im Kommunikationsbereich, andererseits als Co-Geschäftsleiterin aber auch sehr konzeptionell und strategisch. Diese Mischung macht meinen Alltag abwechslungsreich.
Mit meiner Co-Leiterin Rahel Ostgen verbindet mich zudem eine lange Zusammenarbeit. Wir kennen die Stärken des jeweils anderen sehr gut, haben unsere Bereiche klar aufgeteilt und ergänzen uns perfekt. Die Zusammenarbeit macht einfach Freude.
Hast du Rituale, die dir im Alltag helfen?
Ja, auf jeden Fall. Meine Zugfahrt von Aarau nach Zürich am Morgen nutze ich, um «anzukommen» – etwa mit einem Podcast oder Artikeln zum Thema Nachhaltigkeit. Auf dem Heimweg wiederum, um vom Arbeitstag runterzufahren. Diese 22 Minuten sind meine kleine Me-Time, bevor ich zu meinem Mann und meinem Kind nach Hause komme.
Welche Wünsche hast du fürs Recycling in der Schweiz?
Wir haben sicher noch Potenzial bei einigen Wertstoffen – beispielsweise bei den Getränkekartons und beim Kunststoff. Wichtig finde ich, dass wir auch über das reine Recycling hinausdenken: Der Kreislauf beginnt beim Design. Verpackungen lassen sich nur hochwertig recyceln, wenn sie auch so produziert wurden. Design for Recycling und Design for Circularity sind Themen, bei denen sich bereits ein Wandel zeigt – und bei denen noch viel drin liegt.
Generell gilt: Wir haben endliche Ressourcen und Recycling macht nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch Sinn. Es geht nicht um ein «Entweder-oder», sondern um ein «sowohl als auch». Alle Re-Strategien müssen zusammenspielen, und alle Verbände und Organisationen in der Branche sollten gemeinsam an Lösungen arbeiten. Nur so sind diese zukunftsorientiert, praktikabel und langfristig nachhaltig.
Das Gespräch führte Lara Gruhn am Montag, 18. August 2025



